Sie ist avantgardistisch, einzigartig und doch rustikal – seit Anfang Oktober überrascht der Schweizer Jugendchor bei Auftritten mit seiner neuen Konzertkleidung. Diese ist auffallend modern und hebt sich klar von anderen Chören ab. Wie die Arbeitsgruppe zusammen mit der Gestalterin Lisa Ubezio das Erscheinungsbild des Chors neu erfand und was für Herausforderungen dabei zu meistern waren, lesen Sie hier im Interview:
Lisa Ubezio, wie war es für dich als Gestalterin, die Kleider des SJC neu entwerfen zu dürfen?
Es war sehr aufregend und äusserst anspruchsvoll. Einerseits, weil wir eine komplette neue Bildsprache für den SJC kreieren durften, die sich auch in der Homepage, der Schrift und in gewissen Liedern widerspiegeln sollte. Andererseits, weil ich mich auf ganz neuem Terrain bewegt habe, was Abläufe und Produktion anbelangt. Bei meiner täglichen Arbeit als Stylistin und Gestalterin kann ich oft auf fertige Kleidungsstücke zurückgreifen. Einzelstücke für einen einmaligen Gebrauch zu entwerfen und zu fertigen ist eine andere Geschichte, als eine Kollektion zu entwerfen für rund 50 Chormitglieder. Die Anforderungen, Vorstellungen und Bedürfnisse des SJC kennenzulernen, mich auf alle diese Parameter einzulassen und die Umsetzung im vorgegebenen Zeit-und Budgetrahmen zu planen und durchzuführen war zwar eine Herausforderung, hat aber grossen Spass gemacht.
Du hast die Kollektion zusammen mit der Arbeitsgruppe, bestehend aus vier Chormitgliedern, auf die Beine gestellt. Wie funktionierte der Prozess von der Ideenfindung bis hin zum fertigen Konzept?

Lisa Ubezio, Gestalterin aus Bern
Foto: Remo Ubezio
Wir trafen uns an drei Nachmittagen. Die Arbeitsgruppe kam beim ersten Treffen schon mit vielen Ideen und Fotobeispielen. Dass die neue Kleidung das Thema «Swissness» haben sollte, hat sich im Chor sehr früh herauskristallisiert. Wir machten also eine Auslegeordnung was überhaupt möglich ist und was nicht. Zum Beispiel mussten wir darauf achten, dass die Kleidung für die verschiedensten Körperformen, Grössen, Haar- und Hauttöne passt. Es war ein spannendes Erforschen. Nach jedem Treffen fertigte ich Skizzen an, welche wir dann wieder besprachen und anpassten. Und so formte sich langsam die neue Konzertkleidung auf dem Papier.
Die neue Konzertkleidung ist unisex. Eine besondere Herausforderung?
Ja. Dies war ein Wunsch der Arbeitsgruppe. Hier hatte ich am Anfang etwas Bedenken. Ich war sehr gespannt, ob sich zum Beispiel der Hosenrock und die Bluse mit der Schlaufe bei den Männern durchsetzen würde. Diese Sorge war rückblickend völlig unbegründet. Jetzt steht das zweite Konzert mit der neuen Kleidung an und die Männerröcke sind alle im Einsatz. Das freut mich natürlich extrem. Sie verleihen der Gruppe meiner Meinung nach einen epischen Ausdruck.
Wo gab es längere Diskussionen in der Arbeitsgruppe?
Es war erstaunlicherweise sehr harmonisch! (Lacht) Von der Vorstellung bis zum Entwurf – es kam wie aus einem Guss. Eine grössere Herausforderung war die Produktion.
Weshalb?
Wegen Corona hat die österreichische Weberei, bei welcher wir den Stoff bezogen haben, die Lager abgebaut. So war immer wieder zu wenig Stoff vorhanden und als endlich genug da war, haben sie das Färbeverfahren geändert und der Farbton entsprach nicht mehr dem von uns gewählten Muster. Diese Phase der Produktion war sehr zeitaufwändig, da die Musterauswahl so wieder von vorne losging. Als wir am Ende dann alle Stoffe zusammen hatten, konnten wir das rote Paspelband nicht mehr nachbestellen. Nach etlichen Telefonaten habe ich dann eine Firma in Deutschland gefunden, welche das Band extra für uns angefertigt hat. Schlussendlich hat sich die Mühe aber gelohnt.
Apropos Farben: Klassischerweise tragen die meisten Chöre Schwarz. Der SJC ist aus diesem Schema ausgebrochen. Was ist die Bedeutung hinter den verschiedenen Farben?
Sie repräsentieren die Schweizer Natur: ein mit Nebel durchzogener Wald, ein Gletscherbach, Himmel, Stein oder Holz. Was besonders heraussticht, ist die Farbe Rot. Mir war es sehr wichtig, diese einzubinden. Sie steht für Leidenschaft und das Leben. Hier gab es eine kurze Diskussion ob Rot oder doch lieber Grün. Ich bin jedoch sehr glücklich, dass sich Rot durchgesetzt hat (schmunzelt).
Nachdem das Konzept stand, ging es in die Produktion. Was waren hier die Anforderungen?
Die Chormitglieder haben ein grosses ökologisches Bewusstsein. Für sie ist es wichtig zu wissen, wo und wie die Kleidungsstücke produziert werden. Für die Arbeitsgruppe war es deshalb essenziell, dass die Kleidung in der Schweiz geschneidert wird. So stiessen wir auf das «Nähwerk» in Thun, welches Schneider*innen ausbildet. Wir fanden die Idee mega schön, dass «Jugendliche für Jugendliche» die Kleidung produzieren. Der Stoff kommt übrigens aus Österreich mit Anteilen von Bio-Leinen. Es ist also ein sehr hochwertiges Produkt.
Was macht die neue Kleidung des SJC so besonders?
Sie ist anders als die andren. Die neuen Kleider des SJC sind modern und farbig. Obwohl das Individuum mit einer eigenen Kombination herausstechen kann, repräsentiert die Konzertkleidung den Zusammenhalt der Sänger. Ich hoffe, dass die neuen Kleider den Leuten – sei es dem Chor, aber auch dem Publikum – ans Herz wachsen.