Das musste er aber auch sein, denn als er 1818 Bachs h-Moll-Messe als erster überhaupt setzen und drucken liess, gab es noch keine Smartphones, ja noch nicht einmal ein Radio, auf dem er den Erstdruck vermarkten konnte. Der Komponist konnte ihm auch nicht mehr helfen, immerhin war Bach zum Zeitpunkt des Erstdrucks schon 68 Jahre tot. Pompöse Worte also für ein «altes Werk» – stimmen sie?
Da ist was dran – davon konnte sich der Schweizer Jugendchor diesen Sommer eindrücklich überzeugen lassen. Während einer ganzen Woche probte der Sinfonische Chor das Monumentalwerk auf Einladung der Bachwochen Thun in Interlaken. Neben interessanten Fakten über das Werk (hätten Sie gewusst, dass nur fünf der 27 Sätze des Werkes tatsächlich in h-Moll stehen?) stand natürlich die Musik im Vordergrund. Unter der Leitung von Nicolas Fink, seinen Assistentinnen Deborah Züger & Chiara Selva sowie unterstützt durch die Korrepetitorin Clémence Hirt probte man sich mit viel Lust und Singfreude durch die Chorsätze. Die so lange, intensive Beschäftigung mit einer einzigen Komposition war für viele der Sänger*innen sehr speziell – deshalb erstaunt es nicht, dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sei es beim Essen oder beim Wandern, Musik angestimmt wurde – sowohl von Bach als auch von diversen anderen Komponist*innen. Viel Freude bereitete auch das allabendliche Zusammensitzen und der bunte Abend, bei dem sich der ganze Chor in Schale warf und ein kunterbuntes, queeres Programm für sich selbst auf die Beine stellte. Alte Freundschaften wurden vertieft, neue Freund*innen fanden sich in dieser Woche. Es war ein Erlebnis für alle, egal, ob sie das erste Mal dabei waren oder seit Jahren im SJC singen.
Das Highlight war dann aber unbestritten das finale Zusammentreffen mit den Instrumentalist*innen und den Solist*innen am Ende der Woche. In nur zwei Tagen fügte sich Bachs letztes grosses Werk wie ein komplexes Uhrwerk ineinander. Der emotionale Höhepunkt war das Schlusskonzert in der Stadtkirche Thun, die bis auf den letzten Platz besetzt war. Ein würdiger Abschluss dieser Woche mit dem von Hans Georg Nägeli und dem Chor so hochgelobten Werk.
Und nun? Nun freuen wir uns auf eine Neuauflage in Bern, Luzern und Payerne. Erleben auch Sie Anfang Dezember Bachs h-Moll-Messe in der Edition «Schweizer Jugendchor» – wir finden, es lohnt sich!