Was inspiriert Dich beim Komponieren?
Sara Bucher: Ich arbeite viel über Improvisation, dann sitze ich ans Klavier und spiele, was mir gerade einfällt. Im speziellen Fall für diesen Kompositionswettbewerb war es natürlich auch der Text, ich habe versucht, mir eine Landschaft vorzustellen und diese in der Musik umzusetzen. Die Komposition zu «le versant est dans l’ombre» ist meine erste Chorkomposition, ich durfte letztes Jahr in einem grossen Chor mitsingen, was mich sehr inspiriert hat.
Ariane Miéville: Ich höre immer zuerst Rhythmus. Die Melodie kommt dann sehr schnell dazu, und weil ich primär für Chor komponiere, denke ich auch viel in den verschiedenen Registern. Der Text ist auch sehr wichtig für die Inspiration, ich versuche, von ihm aus zu denken.
Joséphine Maillefer: Ich schaue mir einen Sonnenuntergang an, rieche an seinen Farben und lege sie dann auf die Partitur. Aber nein (lacht). Ich versuche, so viele Parameter wie möglich zu berücksichtigen, was es mir ermöglicht, mit einer nicht mehr weissen Seite zu beginnen und nach einem Konzept zu suchen, das meiner Musik Sinn verleiht.
Was wünschst Du dir vom Schweizer Jugendchor?
Sara Bucher: Genau das, was der Chor an diesem Probewochenende gemacht hat. Das war das erste Mal, dass ich es gehört habe, und es ist ein riesiger Schritt vom MIDI des Notenprogramms zu hier in den Proberaum.
Ariane Miéville: Ich habe beim Projekt zur neuen Nationalhymne 2015 zum ersten Mal vom Chor gehört und hoffe, dass ich das Profil getroffen habe. Die Qualität der Stimmen ist enorm, deshalb habe ich keine speziellen Wünsche an den Chor.
Joséphine Maillefer: Da ich meine Ohren bereits mit diesem Chor verwöhnen konnte, waren meine Erwartungen hoch. Ich mag den Klang des Schweizer Jugendchors sehr, die Korrektheit, die Homogenität der Stimmen, das geringe Vibrato. Ich bin auch berührt von diesen Sprachmischungen, dem Engagement der jungen Chorsänger rund um dieses gemeinsame Hobby, mit all den Einschränkungen, die das mit sich bringt. Und immer wieder diese Magie, zu sehen, wie Individualitäten ein gemeinsames Werk schaffen, gemeinsam Gänsehaut empfinden und geben. Ich finde auch diesen Jugendchor schön, der sich aufgrund seiner Altersgrenze ständig verändert, nie starr, nie gleich, nichts ist selbstverständlich, alles muss immer wieder neu geschaffen werden.
Was hat der Text von Isabelle Sbrissa bei dir ausgelöst?
Sara Bucher: Er ist sehr atmosphärisch, ich konnte sofort eine Herbststimmung fühlen. Ich finde, er fühlt sich sehr sanft an. Die Landschaft hier am Lac Léman passt sehr gut dazu, finde ich.
Ariane Miéville: Er hat mich überrascht. Ich habe zuerst nach der Interpunktion gesucht (die der Text bewusst nicht hat), weil wie gesagt die Rhythmik für meine Arbeit sehr wichtig ist. Ich habe danach nach dem Ambiente für den Text gesucht. Also habe ich mir bewusst meine eigenen Schwerpunkte im Text gesucht.
Joséphine Maillefer: Die atypische Form des Gedichts hat mich angesprochen: kein Titel, keine Grossbuchstaben, keine Interpunktion, kein Zeilenumbruch. Ich las darin Unschärfe und Freiheit, undefinierte Sätze, Wörter, die sich verteilen und eine organische Materie bilden. Ich schrieb meinerseits Musik mit Unschärfe und Freiheit. Noten mit undefinierten Längen, wenig Kontraste, eine eher sanfte Nuance, farbenreiche Akkorde, wie organische Materie. Das Stück beginnt mit Unschärfe, entwickelt sich langsam bis zu einem Höhepunkt bei dem Wort «brille», beruhigt sich dann und kehrt zu seiner ursprünglichen Unschärfe zurück.