Sieben Jahre lang war Silas Bücherer (26) als Bass-Sänger im Schweizer Jugendchor dabei. Per Ende Jahr 2020 trat er altersbedingt aus. Doch das Singen begleitet ihn weiterhin. Ein Gespräch über seine Zeit im SJC, was Architektur mit Singen gemeinsam hat und über die Kraft der Musik.
Silas Bücherer, Ende Jahr war Schluss. Was ist deine schönste Erinnerung aus deiner Zeit beim SJC?
Silas Bücherer:Der Schweizer Jugendchor ist eine Erlebnismaschine. Es gab so viele verschiedene tolle, berührende und aufregende Momente. Besonders eindrücklich in Erinnerung bleibt mir mein erstes Probewochenende im Januar 2014. Ich fühlte mich sofort willkommen. Während des ersten Liedes schaute ich ungläubig um mich und war überwältigt von diesem krassen Klang und dem unbeschreiblich schönen Gefühl, welches das gemeinsame Singen auslöst. Der SJC war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Silas Bücherer sang sieben Jahre als Bass 2 im Schweizer Jugendchor
Wie bist du zum Schweizer Jugendchor gekommen?
In meiner Klasse des Musikgymnasiums war ich der einzige Mann unter 14 Frauen. Für mich, damals als Schlagzeuger, war dies eine grosse Challenge, denn so musste ich meine Stimme immer alleine singen. Dies hat mir aber unerwartet viel Spass bereitet und so wurde ich Basssänger. Daraufhin stieg ich beim Kammerchor der Schule ein. Nach dem Gymi wollte ich diese neue Leidenschaft beibehalten und habe beim SJC vorgesungen.
Wie hat sich der Schweizer Jugendchor in deinen Jahren verändert?
Es hat einige Neuerungen gegeben. Zum einen stellten wir vom projektbasierten Saisonbetrieb zum Repertoirebetrieb, verteilt über das ganze Jahr, um. Zusätzlich zum klassischen Konzertchor kam nun der projektbasierte sinfonische Chor, welcher grösser besetzt ist und auch für Leute bis 30 Jahren offensteht. So kann eine Art Forum zwischen ehemaligen und aktiven SJC-lern entstehen, was ich super finde.
Auch verlagerten wir den musikalischen Schwerpunkt von internationaler Musik auf Schweizer Komponisten und Schweizer Musik. Ich fand dies eine interessante Entwicklung, weil man sich fokussierter mit dem Repertoire auseinandersetzen konnte. Wir nahmen dann auch im Herbst 2019 eine Volkslied-CD im Studio auf, auf welcher man das Ergebnis des neuen Schwerpunkts meiner Meinung nach sehr gut hören kann.
Für diese Aufnahmen arbeiteten wir das erste Mal mit verschiedenen Gastdirigenten aus allen Sprachregionen zusammen. So hat sich auch das Chorleiter-System verändert: Von zwei Dirigenten zu einem Chefdirigenten und gelegentlichen Gästen.
Wie war es unter diesen verschiedenen Dirigenten zu singen?
Die verschiedenen Chorleiter brachten unterschiedliche Stärken und Fokuspunkte ins Ensemble mit ein. Zum Beispiel war es eine Stärke von Dominique Tille, dem Chor Ausstrahlung und Bühnenpräsenz mitzugeben.Bei Gonzague Monney lag dann der Fokus eher beim gefühlsbetonten, feinen Singen.Im Repertoirebetrieb unter Nic Fink konnte mit der Zeit immer stärker auf gesangstechnische und interpretatorische Dinge eingegangen werden, was das gesangliche Niveau nochmal merklich verbesserte.
Zurzeit studierst du Architektur an der ETH. Wie passt das zu deiner Leidenschaft, dem Chorsingen?
Ich finde, Architektur und Singen passen sehr gut zusammen. Meine ersten Schritte in der Architektur sind aus meiner Leidenschaft zur Musik entstanden: Als Maturarbeit habe ich einen Konzertsaal entworfen und bin so zu einem Praktikum in einem Architekturbüro gekommen. Für mich ist es ein ähnlich stimmiges Gefühl, wenn ich beim Singen eine Bach-Koloratur auf den Punkt bringe oder wenn ich einen Grundriss zeichne und der gut aufgeht.
Auch ähnlich sind sich Hierarchie und Struktur in der Musik und der Architektur. Also wie interpretiert oder baut man ein Motiv ein, ohne dass der grosse Bogen bzw. die Grundidee verloren geht.
Wie gut war dein Studium mit dem SJC zu vereinbaren?
Wenn ich eine dringende Abgabe hatte und dazwischen noch ein Konzertweekend lag konnte dies schon stressig werden. Es hat es auch immer wieder gegeben, dass ich dann halt noch um Mitternacht Töne üben musste. Das hat sich aber immer gelohnt. Ich habe es gerne gemacht.
Wie hat das Coronavirus das Chorleben beeinflusst?
Einschneidend. Wir mussten die meisten Konzerte und Proben absagen. Das war wahnsinnig schade. Gerade auch für den Zusammenhalt unter den Mitgliedern. Das Erlebnis «Chorsingen» ist und bleibt für mich ein analoges. Das mussten wir feststellen, als wir eine Probe via online Videokonferenz versucht haben, wo es schon am Einzählen scheiterte: Während die ersten bei «4» schon fast losgesungen haben, haben die letzten erst bei «2» des nächsten Taktes eingesetzt, da der Ton so verzerrt war. Es funktionierte nicht so gut.
Im September und im Oktober konntet ihr noch vier Mal vor Publikum auftreten, jedoch mit Sicherheitsmassnahmen. Wie war das?
Dort sangen wir mit zwei Metern Abstand zueinander, aber noch ohne Maske. Das ging gut, war aber schalltechnisch etwas schwieriger gemeinsam auf den Punkt zu singen, wenn der Chor auf bis zu 30 Metern verteilt steht. Ich denke jedoch, dass es die Chormitglieder trainiert hat, selbstständiger zu singen.
Hat das Coronavirus auch den Zusammenhalt der Mitglieder beeinflusst?
Ja, man hatte viel weniger Kontakt, da die monatlichen Probeweekends wegfielen. Die Assistenten organisierten dann Zoom-Apéros, um den Zusammenhalt zu pflegen. Auch die Lagerwoche fehlte sehr für die Teambildung. Ich habe schon gemerkt, dass mir eine gewisse «Endorphin-Dosis» zwischendurch gefehlt hat, die mir das Chorsingen gibt. Doch ich bin mir sicher, dass das starke Gefühl des Zusammenhalts sehr schnell zurückkommen wird, sobald wieder Normalität herrscht.
Was ist dein Wunsch für die Zukunft des SJC?
Der SJC ist ein Haufen voller unglaublich toller und verschiedener Menschen. Die Balance zwischen dem freundschaftlichen und den leistungsorientierten Aspekten sollte nie verloren gehen. Ich wünsche mir, dass der starke Zusammenhalt der Mitglieder – wie ich ihn erleben durfte – weiter besteht. Es war das Schönste für mich, dass ich in einen solchen Chor kommen konnte, ohne jemanden zu kennen – und dass ich nun, sechs Jahre später, rausgehe und Freunde fürs Leben mitnehme. Solche Freundschaften wünsche ich allen zukünftigen Mitgliedern.
Interview: Rahel Röthlin